Sein größtes berufliches Glück erlebte Becker jedoch, als Dr.
Matthias Reinschmidt 2015 nach Karlsruhe kam um den vakanten
Zoodirektorenposten zu übernehmen. Reinschmidt machte Becker zum
Artenschutzkurator. "Diese Arbeit war für mich die Krönung
meiner beruflichen Karriere", betont Becker, der seit 1985 für
den Karlsruher Zoo arbeitet.
Reinschmidt und Becker kennen sich bereits seit 1986. Damals war
der aktuelle Direktor Praktikant beim jungen Kurator Becker.
Beide haben sich nie aus den Augen verloren und sind bis heute
befreundet. "Für mich war es wunderbar, dass ich immer auf
Clemens' großen Erfahrungsschatz aus all seinen Jahren im Zoo
zurückgreifen konnte", sagt Reinschmidt.
"Seit meinem Vordiplom in Biologie wusste ich, dass ich in der
Zoowelt arbeiten wollte. Dabei ging es mir immer ganz besonders
um den Artenschutz. Das war früher aber eher ein Randthema.
Jetzt ist es das Leitmotiv des Karlsruher Zoos und ich konnte
mich seit 2015 genau in diesem Bereich als Artenschutzkurator
voll einbringen", erzählt Becker stolz. Der Zoodirektor und sein
Artenschutzkurator hoben so 2016 die Artenschutzstiftung Zoo
Karlsruhe aus der Taufe, die sich seitdem für zahlreiche
Projekte weltweit aber auch direkt vor der Haustüre
einsetzt.
Das Duo brachte die Artenschutzstiftung schnell voran. "In ganz
kurzer Zeit haben wir enorm viele Projekte etabliert. Ohne einen
Zoodirektor wie Matthias, dem dieses Thema ebenso wichtig ist
wie mir, wäre das nie möglich gewesen", so Becker. Reinschmidt
gibt das Kompliment umgehend zurück: "Es hat immer Spaß gemacht,
mit ihm zusammenzuarbeiten. Ich bewundere ihn für seinen enormen
Einsatz um den Artenschutz."
Auch im Zoo-Team ist Becker äußerst beliebt. Seine
Gesangseinlagen haben zahlreiche Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter an ihren Geburtstagen erfreut. Generationen von
Tierpflegern genossen die Ausbildung bei ihm. Die Weitergabe von
Wissen war ein weiteres beruflich Steckenpferd des zukünftigen
Rentners. Diesen Part hat er bereits vor geraumer Zeit an
Zootierarzt Dr. Marco Roller abgegeben. Nicht nur in diesem
Punkt war ihm eine geordnete und rechtzeitige Übergabe
wichtig.
Bereits im Sommer 2021 übergab er das Orang-Utan-EEP nach
Münster. Dort kümmert sich seitdem Dr. Simone Schehka mit einem
Team um das Zuchtbuch. "Noch nie in der Zoogeschichte wurde ein
Zuchtbuch so lange aus einer Hand geführt", stellte Reinschmidt
damals heraus. "Und mit den Orang-Utans ist es dazu noch eines
der besonders wichtigen. Wir sind unheimlich stolz darauf, dass
Karlsruhe so lange europaweit untrennbar mit der Erhaltungszucht
der drei stark bedrohten Orang-Utan-Arten verbunden war." Noch
während seiner Doktorarbeit hatte Becker 1982 das erste
Zuchtbuch herausgebracht.
Dass der 1954 in Osterburken im Neckar-Odenwald-Kreis geborene
Becker sich einmal so auf dem großen europäischen Zooparkett
bewegen würde, war jedoch nicht selbstverständlich: "Ich war
kein Stadtkind, sondern ein richtiger Landbub - mit viel Liebe
zu Natur und Tieren." Es sei ein großes Glück gewesen, dass er
überhaupt auf das Gymnasium gehen durfte. Das sei auf dem Land
damals eher unüblich gewesen. Bereits in der Schule wurde ihm
klar, dass er Biologie studieren wollte, was er 1975 in
Heidelberg begann.
Einer der damaligen Dozenten, Prof. Karl-Heinz-Möller, hatte
beste Beziehungen zu allen möglichen Zoos. Mit ihm unternahmen
die jungen Studenten teils wochenlange Exkursionen in
Tiergärten. Zudem lehrte damals auch Rosl Kirchshofer in
Heidelberg, die gleichzeitig die Zoopädagogik im Zoo Frankfurt
leitete. Durch sie bekam Becker die Möglichkeit, im Rahmen
seines Studiums eine Verhaltensstudie bei Orang-Utans in
Frankfurt zu machen.
Die Abschlussarbeit von Beckers Studiums drehte sich ebenfalls
um die Menschenaffen: Verhaltensstudien zum Spielverhalten der
Orang-Utans. Dazu ging Becker in die Zoos von Frankfurt, Köln,
Krefeld und Stuttgart. Die Arbeit über das Objekt- und
Sozialspiel brachte ihm die Note 1,0 ein. Und er entschloss
sich, seine Studien auf eine Promotion auszuweiten.
Für die Doktorarbeit bereiste der Biologe 25 Zoos und
beobachtete dabei 150 Tiere, verglich Bonobos und Orang-Utans.
Die Promotion wurde ein großer Erfolg. Neben der erneuten
Traumnote 1,0 konnte er seine Arbeit auch als Buch
herausbringen. Das Vorwort dazu schrieb kein geringerer als
Prof. Bernhard Grzimek, der wohl bekannteste Zoodirektor aller
Zeiten.
Auch wenn in Karlsruhe keine Orang-Utans gehalten wurden, so
hatten es Becker die Schimpansen immer sehr angetan, vor allem
Schimpansen-Senior Benny. Aber auch andere Tierarten weckten
sein besonderes Interesse. "Wir hatten in Karlsruhe ein Pärchen
Säbelantilopen, das noch aus der Natur stammte", erzählt Becker.
Dort war die Art in jener Zeit durch unkontrollierte Jagd völlig
ausgerottet worden.
Becker kümmerte sich, gerade mit diesem Pärchen möglichst große
Zuchterfolge zu erzielen. Bei einer ersten Wiederansiedlung der
sehr markanten Tiere in Marokko kam Karlsruhe zum Zug. Insgesamt
zehn Antilopen aus der von Becker forcierten Zucht im Badischen
konnten im Nationalpark Souss Massa ausgewildert werden -
zusammen mit Artgenossen aus anderen Zoos.
Auch die Zucht der Wisente im Tierpark Oberwald, der Dependance
des Zoos mitten im Wald, lag Becker stets am Herzen. Aus dieser
Gruppe konnten ebenfalls sehr früh Tiere in der Natur
wiederangesiedelt werden. Auch bei dieser Tierart hatte der
Mensch zuvor für eine Ausrottung in der Natur gesorgt. "Nur
durch die Zoos hat das größte Landsäugetier Europas überhaupt
überlebt", erläutert Becker. Bis heute werden regelmäßig Tiere
aus Karlsruhe an Auswilderungsprojekte mit dem WWF
übergeben.
Das wichtigste Einzelprojekt Beckers konnte jedoch erst mit
Gründung der Artenschutzstiftung verwirklicht werden. In Ecuador
am Westhang der Anden wurde Land erworben. Auf einem Teil des
Geländes steht primärer Nebelwald, der eigentlich für Tierweiden
abgeholzt werden sollte. Der Rest der Fläche war bereits
entwaldet. Durch die Artenschutzstiftung Zoo Karlsruhe konnte
der Nebelwald erhalten und an den abgeholzten Flächen wieder
aufgeforstet werden. Seitdem wurden bereits drei weitere
Geländeteile in der Region angekauft.
"Ecuador ist einfach etwas Besonderes", schwärmt Becker, der zur
Finanzierung des Ankaufs der Gelände "Klinken putzen" musste.
Mit seinem Enthusiasmus hatte er aber recht zügig auch Gönner
aufgetan, die größere Summen spendeten. Ecuador zählt zu den
artenreichsten Ländern unserer Erde. Es gibt dort zum Beispiel
130 Kolibri- und 4.000 Orchideenarten. "Das gilt es zu
erhalten", bringt es Becker kurz und knapp auf den Punkt.
Auch wenn er schon deutlich früher in Rente hätte gehen können,
wollte er die Zeit als Artenschutzkurator auskosten: "Ich gehe
mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Die Arbeit war
immer Lebensinhalt für mich. Ich kann zufrieden auf das
Erreichte zurückblicken. Aber jetzt verschieben sich meine
Prioritäten mehr ins Private. Ich freue mich auf die Zeit, die
ich jetzt mit meinen Enkeln verbringen kann."
Statt Südstadtdschungel wird Familie Becker viel Zeit in der
Natur verbringen. Im Forbacher Ortsteil Hundsbach nahe des
Nationalparks Schwarzwald hat sich Becker ein kleines Häuschen
gekauft, das er auch in viel Eigenarbeit saniert: "Es soll ein
Treffpunkt für die ganze Familie werden. Ein
Mehrgenerationenhäuschen mitten im Grünen."
Ganz verzichten muss die Artenschutzstiftung aber nicht auf
Becker. Gemeinsam mit Reinschmidt bleibt er Vorsitzender. Und
auch wenn Becker sein Büro im Erdgeschoss der Zooverwaltung
räumt, im Exotenhaus bekommt er einen neuen Arbeitsplatz. Von
dort aus wird der Rentner Becker sich weiterhin zum Wohle des
Artenschutzes im Zoo einbringen.
Das Jahr 2022 neigt sich seinem Ende entgegen. Und wir freuen
uns, dass wir Ihnen - wie in
jedem Dezember - einen aktuellen Newsletter (Nr. 18) übersenden
können.
Unsere Projekte in Ecuador und Kenia haben sich in den
vergangenen Jahren sehr erfolgreich
entwickelt. In der nahen Zukunft möchten wir in Ecuador ein
viertes Reservat erwerben und in
Kenias Savanne einen neuen Tierkorridor sichern.
Artenschutzstiftung Zoo Karlsruhe unterstützt NABU / Horst im
Landkreis Rastatt angebracht (Februar 2022)
Im Jahr 1907 wurde der Fischadler in Baden-Württemberg durch
Bejagung ausgerottet, zukünftig soll er wieder im südlichen
Landkreis Rastatt brüten. Möglich gemacht wird das durch eine
gemeinsame Aktion des Naturschutzbunds Deutschland (NABU) und
der Artenschutzstiftung Zoo Karlsruhe. Eine künstliche
Horst-Plattform wurde dafür auf einem geeigneten Baum im
südlichen Landkreis Rastatt in unmittelbarer Nähe zu Rhein und
Altrhein aufgesetzt.
"Im Elsass haben sich 2019 am südlichen und mittleren Oberrhein
wieder Fischadlerpaare angesiedelt und erfolgreich gebrütet. Das
ist für uns auf der badischen Seite die einzigartige Chance,
weiteren Paaren attraktive Brutplätze zur Verfügung zu stellen
und sie somit bei uns wieder heimisch zu machen", erläutert
Martin Klatt, Artenschutzreferent beim NABU
Baden-Württemberg.
Das Forstamt des Landkreises Rastatt hatte bei der Auswahl des
Baumes geholfen, auf dessen Spitze der Horst befestigt wurde.
Dr. Daniel Schmidt-Rothmund, Greifvogelexperte und Leiter des
NABU-Vogelschutzzentrums Mössingen, betätigte sich selbst als
Baumkletterer, um die stabile Nisthilfe anzubringen.
"Es ist klasse, wenn wir dem Fischadler hier helfen können",
sagt Schmidt-Rothmund. Durch das Anbringen von künstlichen
Horstunterlagen, bevorzugt in hohen Kiefern, die die übrige
Kronenschicht eines Waldes überragen, ließen sich brutwillige
Fischadlerpaare zur Nestanlage bewegen. Das sei aus
jahrzehntelanger Erfahrung bekannt, erläutert Klatt.
Die Kosten in Höhe von 3.500 Euro übernimmt die
Artenschutzstifung Zoo Karlsruhe. "Wir unterstützen den NABU bei
diesem Projekt sehr gerne. Für uns sind neben dem
internationalen Engagement gerade auch die Anstrengungen für die
Artenvielfalt unserer Heimat sehr wichtig", betont Dr. Clemens
Becker, Vorstand der Artenschutzstiftung und Artenschutzkurator
des Karlsruher Zoos.
"Es wäre sensationell, wenn diese prächtigen Tiere auch wieder
auf der badischen Seite brüten würden", freut sich Zoodirektor
Dr. Matthias Reinschmidt, und ebenfalls Vorstand der
Artenschutzstiftung. Die Nähe zum Rhein und die vielen
Wasserflächen im mittelbadischen Raum würden die Region im
südlichen Landkreis Rastatt zum idealen Raum für die
Installation von passenden Horstunterlagen machen. Angebrachte
Wildkameras können die Brut dokumentieren, sollten Fischadler
nach 115 Jahren erstmalig wieder Jungtiere in Baden-Württemberg
aufziehen.